Frauenwaldau - Erinnerungen

Bräuche am Neujahrstag:

Gern erinnern wir uns an Bräuche aus der Kindheit. Am Neujahrstag kam regelmäßig der Gottlieb Roßdeutscher aus Nieder-Frauenwaldau in alle Häuser und sagte seinen Glückwunsch vor: "Ich wünsch Euch zum neuen Jahr den Boden voll Getreide, ohne Ratten, ohne Mäuse. Hie und da ein Stickel Wurscht und a Gloas Bier fer a Durscht."

(Quelle: Kreis Trebnitzer Heimatzeitung Nr.2/93, geschrieben von Erna Schneppel, geb. Finke, + 2013)

Winterfreuden:

Ein beliebter Zeitvertreib war das abendliche Schlittenfahren auf der Straße. Da Frauenwaldau in den östlichen Ausläufern des Katzengebirges liegt, gibt es dort einige Gefälle im Ort und mehrere Hänge um ihn herum. Unser Bereich war die abfallende Straße vom Speth-Kaufmann bis zum Bergbecker. Entweder fuhr man allein auf dem Schlitten oder mit mehreren darauf auf der von Pferdeschlitten und Fuhrwerken glattgefahrenen Fahrbahn, im Wettstreit, wer am weitesten kam, bergab.

Besonderen Spaß machte es, mehrere Schlitten hintereinander zu koppeln und so dann gleitend oder von zwei Willigen aus der Gruppe gezogen unter großem Geschrei und Hallo die mehr oder weniger schnelle Fahrt zu genießen.

Wenig Verständnis für dieses Treiben fanden wir bei unserem Dorfpolizisten, im Dorf entsprechend seinem Namen nur Hampel genannt. Diese Bezeichnung galt bei uns allgemein für Polizisten.

So berichtete ich einmal meiner Mutter, als drei von ihnen bei uns vorbeiritten, es seien drei Hampel gewesen. Zum Glück konnten wir unseren Hampel in der Dämmerung oder wenn es dunkel war, bereits aus größerer Entfernung an dem auf- und abwippenden Licht der Karbidlampe seines Fahrrades wahrnehmen. Für uns hieß es dann: nichts wie weg und im Straßengraben, in einem Hauseingang oder hinter einer Hausecke verschwinden. Frohlockend sahen wir dann unentdeckt den ahnungslosen Ordnungshüter vorbeiradeln.

Das Vergnügen des Schlittenfahrens genossen wir auch auf den sanften Hängen außerhalb des Dorfes neben und in den Wäldern. Dort endete manche Fahrt unsanft an einem Baum. Dieses Mißgeschick jedoch war immer noch leichter zu ertragen als der Bruch des Schlittens. Besonders rasant ging es auf dem Fehlerberg abwärts, und da konnte dies passieren, wenn man in eine Bodensenke krachte.

Unsere Winterfreuden bestanden nicht nur aus den bisher geschilderten. Skifahren gehörte ebenfalls zu ihnen. Vom Schnotale Stellmacher wurden uns die Bretter aus Holz der Eberesche zurechtgeschnitten, und zu Hause wurden von diesen im kochenden Wasser die Spitzen unter großem Zeitaufwand gebogen.

Gefahren wurde überwiegend da, wo auch Schlitten gefahren wurde. Die geübteren Läufer wagten sich auch schon einmal auf den steileren Bräuerberg.

Ein besonderer Reiz war, die kurzen, aber steilen Wände der Sandgrube am Bergbecker-Teich hinunter zu sausen. Aufatmend sahen wir nach gelungener Schußfahrt auf die nicht ganz ungefährlich erscheinende Abfahrt zurück, heilfroh, sie unbeschadet geschafft zu haben. Ganz ungefährlich, aber genauso beeindruckend war es, wenn wir, in einer Reihe laufend, durch den unberührten Schnee liefen und eine in der Sonne weithin sichtbare Spur in der glitzernden Pracht hinterließen.

Eine harmlose, jedoch schmerzhafte Spielerei von uns Kindern war bei Frost der Zwang, mit der Zungenspitze ein Metallteil im Freien zu berühren. Mit dem Erfolg, daß sie hängenblieb. Um sie wieder loszubekommen, mußte man sie losreißen, was ein Stück Haut kostete, oder es mußte solange auf das Metall gehaucht werden, bis die Eisschicht zwischen diesem und der Zunge schmolz. Dieser Versuch mißlang größtenteils wegen der Größe des Metallteiles. Einer Türklinke zum Beispiel.

Ein Ereignis im Winter ganz anderer Art, und wo wir Kinder nur Zuschauer waren, spielte sich auf dem Sowa-Teich ab. Dort wurden, wenn das Eis eine bestimmte Dicke erreicht hatte, Blöcke aus ihm herausgeschnitten. Diese wurden auf Lastkraftwagen verladen und in die Brauereien gebracht, wo sie zum Kühlhalten ihrer Erzeugnisse verwendet wurden.

(Quelle: Kreis Trebnitzer Heimatzeitung 1/94, Bericht - auszugsweise - von Armin Bloens)

So war unser Leben in Frauenwaldau:

Eines der ersten gemeinsamen Vorhaben nach dem Winter war das Sommersingen ein oder zwei Wochen vor Ostern. In kleineren Gruppen zogen wir mit selbstgefertigten Sommerstecken, deren buntes Seidenpapier wir im Laden der Stanelle Anneliese erstanden hatten, in unserer Wohngegend von Haus zu Haus, um mit mehr oder weniger gekonntem Gesang um kleine Gaben zu bitten. Sehr beliebt waren da Laugenbrezeln. Gab es einmal nichts von dem von unserem Liedervortrag Beglückten, erscholl dann besonders laut und kräftig ein Spottlied auf ihn. So zum Beispiel "Hühnermist, Taubenmist, in diesem Hause kriegt man nischt", was den so Bedachten anscheinend ebensowenig beeindruckte wie die davor gesungenen Lieder, da wir immer ungeschoren davonkamen.

Mit zunehmender Jahreszeit wuchs auch unsere Ungeduld, barfuß laufen zu können. Trotz Verbots unserer Mütter, dies nicht zu früh zu tun, zogen wir, sobald die Erde leidlich erwärmt war, heimlich Schuhe und Strümpfe aus und tollten über Wiesen und Äcker. Geschadet hat es uns gesundheitlich nicht, soweit die Erinnerung reicht. War es dann so warm, daß auch von den Erwachsenen keine Bedenken mehr gegen das Barfußlaufen bestanden, gingen wir selbst zur Schule ohne Fußbekleidung. Recht angenehm war es, auf dem warmen Asphalt der Straße zu laufen. Dieser war manchmal so weich, daß unsere Fußabdrücke darin zurückblieben. Unangenehm war es nur, wenn wir mit den erwärmten Fußsohlen auf dem kühlen Fußboden in der Schule ankamen. Aber geschadet hat uns auch das nicht.

Als unsere Dorfstraße in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre asphaltiert wurde, machte es uns Jungen einen Heidenspaß, aus dem dazu verwendeten Teer kleine Kugeln zu formen, um diese mit biegsamen Gerten auf Spielgefährten oder sonstige Ziele zu schleudern.

Friedlicher ging es bei unseren gemeinsamen Spielen zu, aber auch mit dem nötigen Einsatz und der erforderlichen Beharrlichkeit. Mit welcher Verbissenheit wurde nicht um jeden Ball beim Völkerball gekämpft. Diesen spielten wir auf der Zufahrt zum Gehöft von Lischitzkis.

Schippeln war "Männersache", obwohl da auch schon mal Mädchen mitmachen durften. Entscheidend für dieses Spiel war, daß man mit ausreichend Schippelkugeln und dem nötigen Gefühl fürs Schippeln ausgestattet war. Die Kugeln waren aus Tonerde, mit verschiedenfarbigem Überzug und aus Glas mit eingezogenen Farbbahnen. Beide Arten gab es in verschiedenen Größen und wurden in selbstgenähten Säckchen aufbewahrt. Geschippelt wurde in ein mit dem Schuhabsatz in den weichen Erdboden gebohrtes Loch. Manch einer wurde bei diesem Spiel arm, wenn er bei ihm all seine Schippelkugeln verlor, da er diese nur käuflich bei der schon erwähnten Stanelle Anneliese neu erwerben konnte. Das Geschäft von ihr war für uns Kinder eine Art Wunderland. Allein schon der Geruch, der in ihm herrschte, übte auf uns einen unbeschreiblichen Reiz aus. Von den in ihm angebotenen Waren ganz zu schweigen; für unsere knapp bemessene Barschaft jedoch überwiegend unerschwinglich.

Ein weit billigeres Vergnügen boten uns die Teiche des Dorfes. Bei schönem Wetter, und wenn das Wasser in ihnen warm genug zum Baden war, zog es uns zu einem von ihnen. Der beliebteste war der Bergbecker-Teich. Er liegt versteckt zwischen Bäumen etwas außerhalb des Ortes und wirkt dadurch besonders reizvoll. Uns störte es nicht, daß wir nicht die einzigen Benutzer der Teiche waren. Kühe wurden an ihnen getränkt und Pferde darin gewaschen. Ebenso das Federvieh, das auf ihnen herum schwamm. Von seinen natürlichen Bewohnern ganz zu schweigen, den Fischen und Fröschen.

Obwohl wir Kinder unsere Freizeit überwiegend selbst gestalteten, ließen wir uns auch schon einmal ganz gern von Erwachsenen unterhalten. Ein besonderes Ereignis war es, wenn die Töchter unseres Nachbarn, die Finke Martha und Erna Zeit und Muße fanden, auf dem Hof ihrer Eltern für uns eine Gratisvorstellung Kasperletheater zu spielen.

Ein weiteres abwechslungsbietendes, aber auch nicht so oft vorkommendes Ereignis waren die Filmvorführungen im Saal von Dabisch.

(Quelle: Kreis Trebnitzer Heimatzeitung 6/94, Bericht - auszugsweise - von Armin Bloens)

 

Kindermund oder wie die Alten sungen:

Wie überall auf der Welt waren auch in Frauenwaldau manche Menschen überzeugt, ihre Glaubensgemeinschaft sei die einzig wahre.

So scheint es auch im Umfeld meines evangelischen Elternhauses gewesen zu sein. Wie sonst hätte sich mein damals ungefähr sieben Jahre alter ältester Bruder ein Wort, das sich auf eine Person der anderen Konfession bezog, zu eigen machen können. Vermutlich hat er es bei einem Gespräch oder bei einer Bemerkung von Erwachsenen gehört. Dieses abgelauschte Wort muß ihn derart beeindruckt haben, so daß er es bei passender Gelegenheit unbedingt loswerden wollte. Und diese bot sich eines Tages, als er auf dem Hof unseres Hauses mit der Kempe Magda, der Tochter des benachbarten Gastwirtes, spielte.

Es nahte, nichtsahnend, die katholische Gemeindeschwester, um ihren Berufspflichten nachzugehen. Sie war es, auf deren Erscheinen mein Bruder wahrscheinlich schon sehnlichst gewartet haben dürfte.

Die Wahrerin der Nächstenliebe wollte einen Besuch bei den Wolfes machen, die im Auszugshaus des Bauernhofes meines Vaters wohnten. Dabei mußte sie an den beiden spielenden Kindern vorbei. Jetzt reifte ein Plan in meinem Bruder. Statt ihn aber selbst auszuführen, benutzte er dazu die um zwei Jahre jüngere Magda.

Er trug ihr auf, wenn die Gemeindeschwester von den Wolfs zurückkommt und an ihnen vorbeigeht, ihr das Wort zuzurufen, das es ihm so sehr angetan zu haben schien. Die ahnungslose Magda tat, wie ihr geheißen und aus ihrem Mund erscholl, als die Besucherin der Wolfs an ihnen vorbei ging, "katholische Gurke". Die mit diesem ungehörigen Wort Bedachte dürfte wohl erst einmal schockiert gewesen sein. Statt nun aber an Ort und Stelle zu ergründen, wer der Hauptübeltäter dieser konfessionellen Schmähung sein könnte, lief die sich gekränkt Fühlende straks zum Vater der Magda, um ihn von der Missetat seiner Tochter zu berichten.

Der Kempe, sich seiner erzieherischen Verantwortung bewußt, versohlte dieser umgehend das Hinterteil. Wohl aber weniger aus Überzeugung, als vielmehr zu zeigen, was für ein gestrenges Familienoberhaut er sei.

Viele Jahre später mußte die damals ungerechterweise Bestrafte noch herzhaft bei der Schilderung über ihre Gutgläubigkeit meinem Bruder gegenüber und den damit verbundenen Folgen lachen.

(Quelle: Kreis Trebnitzer Heimatzeitung 4/95, Bericht - auszugsweise - von Armin Bloens)

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